Bruno Zürcher und die Zünigers
Künstlerportrait mit Fotos
(Word-File ca. 4 MB)

St.Galler Tagblatt, Montag, 05. März 2007

Kulturschaffende unterstützen Bruno Zürcher
Goldach. 41 Kulturschaffende aus der Region St. Gallen haben einen Aufruf unterzeichnet, mit dem sie Bruno Zürcher ihre Solidarität ausdrücken. Der Reallehrer hatte bei einem Auftritt am Chlausabend der Lehrer in Goldach die «Reformitis» und die Bürokratisierung des Lehrerberufs aufs Korn genommen und wurde darauf vom Schulrat schriftlich verwarnt. «Als wir den Artikel (Tagblatt vom 2. März) gelesen haben, haben wir erst gedacht, wir hätten die falsche Zeitung erwischt. Das musste ein Text aus den 80er-Jahren sein, aus der Ära Rüesch, mitten aus dem Kalten Krieg», so die Kunstschaffenden.

Sie fordern den Schulrat auf, die ausgesprochene Beanstandung zurückzunehmen. Vom kantonalen Erziehungsdepartement erwarten die Unterzeichnenden, «dass es seine Funktion als Aufsichtsbehörde wahrnimmt und sich in diesem Fall öffentlich und deutlich auf die Seite der künstlerischen und der Meinungsfreiheit stellt.» (per)

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St.Galler Tagblatt, Freitag, 02. März 2007

Salzkorn
Nicht zum erstenmal wird hier gefragt: Was darf Satire? Alles, sagt die Theorie, und jeder davon Nichtbetroffene. Und nicht zum erstenmal erleben wir, dass Satirebetroffene es ganz anders sehen. Satire darf auch für sie alles – aber nur, wenn es nicht sie selber betrifft.

Jüngstes Beispiel: Der Goldacher Schulrat diszipliniert einen Lehrer und Kabarettisten, der sich über Kollegen (das ginge wohl noch an), die grassierende Reformitis im Schulwesen (da wird's schon heikel) und sogar über die Schulbehörde lustig macht, was dann eindeutig zu viel des Guten war. In gestelzten Formulierungen teilte sie dem Sünder, mit dem sie schon gar nicht mehr reden mochte, mit, er habe die «Schule als Institution und damit die für die Führung verantwortlichen Behördemitglieder schlechtgemacht».

Natürlich sollte die Geschichte «zum Schutz der Mitarbeitenden» unter dem Deckel gehalten werden. Nicht etwa – bewahre! – zu demjenigen der Goldacher Schul-Oberen, deren Verhalten Stoff für eine deftige Kabarett-Nummer abgäbe. G. F. H.




St.Galler Tagblatt, Freitag, 02. März 2007
Autor: Andreas Fagetti

Schulrat diszipliniert Kabarettisten
Goldachs Schulrat beanstandet kabarettistischen Auftritt am gemeinsamen Chlausabend von Lehrern und Schulbehörden

Goldach. Weil der Kabarettist und Reallehrer Bruno Zürcher am Chlausabend der Lehrer die «Reformitis» an den Schulen aufs Korn nahm, hat ihn der Schulrat gerügt. Viele Lehrerkollegen des Kabarettisten halten diese Reaktion für überzogen.

Es macht nicht den Anschein, als wäre Bruno Zürcher einer jener Salonlöwen, die immerzu den Mund voll nehmen und ihren Ankündigungen abermals grossspurige Sprüche folgen lassen. Bruno Zürcher ist das, was man eine verdiente Lehrkraft nennen könnte. Der Reallehrer unterrichtet mittlerweile seit 30 Jahren in Goldach. Auch in der Gemeinde zählt er zu den engagierten Bürgern. Er war elf Jahre Gemeinderat und einer der Geburtshelfer des Kleintheaters «Kultur in der Aula». Im Volleyballclub bringt er sich seit über zwanzig Jahren als Trainer ein – und er scheut auch keinen Aufwand, wenn es schulische Anlässe zu organisieren gilt. So war es, als die Sekundarschule Goldach ihren 100. Geburtstag feierte und eigentlich niemand etwas Spezielles auf die Beine stellen wollte. Bruno Zürcher tat es. Er ist eines jener Lehrerexemplare, die über ihr Schulzimmer hinaus wirken und von denen es heisst, sie seien vom Aussterben bedroht. Aber die Region Rorschach kennt ihn auch als scharfzüngigen Zeitgenossen. Als Schnitzelbänkler und Kopf des Kabarett-Trios «Die Zünigers» schiesst er seine Spitzen ab.

Auf Einladung der Kollegen
Dass sie nicht eine Klamauktruppe einluden, wussten demzufolge auch seine Lehrerkollegen, als sie «Die Zünigers» mit einem Auftritt am traditionellen Chlausabend von Lehrerschaft und Schulrat beauftragten. Bruno Zürcher, der gerade ein Jahr unbezahlt Auszeit nimmt und nun frei von beruflichen Verpflichtungen seinen Leidenschaften Kabarett und Volleyball frönt, hatte Zeit. Er forderte die Schulleiter auf, ihm Stoff für Chlaussprüche zu liefern. Die Ausbeute war mager, bloss ein unbrauchbarer Hinweis ging ein. Also schrieb der Kabarettist eigens ein Programm. Heraus kam ein Stück, das die «Reformitis» und die Bürokratisierung des Lehrerberufs aufs Korn nimmt. «Die Zünigers» traten dabei als Chlaus, Schmutzli und Esel auf. Gewiss, hier war kein nachsichtiges Trio am Werk. Es kritisierte, was viele Lehrkräfte im Kanton bisweilen beklagen: Dass wegen der sich jagenden Reformen kaum mehr Zeit fürs «Kerngeschäft», also fürs Unterrichten, bleibe.

Beim nichtöffentlichen Auftritt am 8. Dezember 2006 in der Aula Goldach bekamen auch Schulrat, Schulratspräsident und Schulleiter ihr Fett ab. Es war, was man von einem Kabarett erwarten darf: pointiert und satirisch. Liest man als Aussenstehender allerdings das nur Insidern verständliche Stück, staunt man über die Wirkung, die Chlaus, Schmutzli und Esel bei Schulratspräsident und Schulrat erzielten. Bruno Zürcher sagt, er habe zwar an jenem Abend bemerkt, dass die Mienen der Schulräte zusehends versteinerten. Aber als die Lehrerkollegen überwiegend gut auf den Auftritt ansprachen, war für ihn der Abend abgehakt.

Empfindliche Behörden
Er hatte nicht mit der Dünnhäutigkeit von Schulratspräsident Andreas Gehrig gerechnet. Allerdings erst mit zwei Wochen Verzögerung klingelte kurz vor Weihnachten, am Abend des 20. Dezember, Zürchers Telefon. Gehrig liess ihm eine kryptische Vorwarnung zukommen: «Morgen erhältst Du einen Brief», liess er den verdutzten Reallehrer wissen. Am nächsten Tag hatte Bruno Zürcher einen eingeschriebenen Brief zu quittieren: Darin warf ihm der Schulpräsident vor, er habe mit seinem Kabarett «wiederholt Mitarbeitende der Schule Goldach, die Lehrerschaft, die Schulleitung, auch die Schule als Institution und damit die für die Führung verantwortlichen Behördenmitglieder schlechtgemacht, wenn nicht sogar verhöhnt». Künftig würden solche Auftritte nicht mehr geduldet. Man muss annehmen, dass ein Kabarett-Verbot an Goldachs Lehrerabenden gilt. Sind jetzt solche Auftritte nur noch möglich mit einer Vorzensur und der üblichen positiven Grundstimmung gegenüber den hohen Damen und Herren – wie sonst bloss in autoritären Staaten üblich? Man bekommt keine Antwort. Der Schulratspräsident will öffentlich dazu nicht Stellung nehmen. Was seine genauen Beweggründe sind und ob dieser erste Brief ein Schulratsbeschluss gewesen ist oder bloss das alleinige Machtwort des Präsidenten, auch darüber ist folglich von Andreas Gehrig nichts zu erfahren. Gegenüber unserer Zeitung sagt er bloss: Diese Geschichte gehöre aus Datenschutzgründen nicht an die Öffentlichkeit – zum Schutz der Mitarbeitenden.

Mit dem Kabarettisten, der ihn erzürnte, suchte er das Gespräch nie. Der offensichtlich schwer betupfte Schulratspräsident fuhr dafür ohne Vorwarnung mit schwerem Geschütz auf. Er drohte dem Reallehrer am Schluss jenes Briefes: «Betrachten Sie dieses Schreiben als Verwarnung. Bitte bestätigen Sie auf der beiliegenden Kopie, dass Sie diese Verwarnung gelesen und verstanden haben.»Zürcher unterschrieb nicht und schaltete seine Gewerkschaft ein. Er verlangte ein klärendes Gespräch – und musste zunächst lange warten. Im Beisein der Gewerkschaftssekretärin Maria Huber kam es schliesslich zu einem Treffen. Der Schulratspräsident musste die «Verwarnung» zurücknehmen. Denn im Disziplinarrecht des Kantons findet sich unter diesem Titel nichts. Aber in der Sache selbst gab er nicht nach: Bruno Zürcher erhielt ein neues Schreiben – mit der korrekten Bezeichnung Beanstandung, die Vorstufe zum Verweis. Gehrig deklarierte in jenem Gespräch unmissverständlich, dass es ihm um eine Disziplinierung des kritischen Reallehrers geht. Im neu aufgesetzten Schreiben heisst es weiter, «Herr Zürcher, im Rahmen der erwähnten satirischen Darbietung der <Zünigers> haben Sie als eines von drei Gruppenmitgliedern wiederholt Mitarbeitende der Schule Goldach, der Lehrerschaft, die Schulleitungen und die Behörde, ja die Schule Goldach als Institution, in einer Art und Weise negativ dargestellt, die der Schulrat so nicht toleriert.»

Lehrer solidarisieren sich
Souveräner auf das kritische Kabarett reagierten 32 Goldacher Lehrerinnen und Lehrer. Als sie von der Disziplinierung des Kollegen erfuhren, wandten sie sich in einem offenen Brief an den Schulrat und baten ihn, die «Verwarnung» zurückzunehmen. Über den Inhalt und die Qualität der Darbietung könne und solle man diskutieren, «wobei der Freiheit des Künstlers in Aussage und Form Rechnung getragen werden soll». Der Schulrat habe aber das Gespräch mit Bruno Zürcher nicht gesucht, ihn stattdessen schriftlich verwarnt.

Für Kritik und ein Gespräch sei er immer offen, auch zu allfälligen Fehlern könne er stehen, sagt Zürcher. Dass der Schulrat gleich mit einer Disziplinierung reagiere, sei ihm unverständlich, zumal er als Kabarettist eingeladen worden sei und der Schulrat das Gespräch mit ihm nie gesucht habe.

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Wörtlich: Für die Schule eingesetzt
[..] ...«Wir verstehen nicht, weshalb der Schulrat in dieser Form und in diesem Ton verfährt, zumal sich Bruno Zürcher als Lehrer nichts hat zu Schulden kommen lassen und wir ihn als engagierten, vielseitigen und kritischen Kollegen kennen, der sich in der Vergangenheit immer wieder mit besonderem Aufwand für die Schule eingesetzt hat. Dieses Vorgehen des Schulrates befremdet uns. Wir würden uns freuen, wenn der Schulrat mit uns das Gespräch suchen würde und die Verwarnung an Bruno Zürcher zurücknähme.»
(Aus einem offenen Brief von Goldacher Lehrern)




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St.Galler Tagblatt, Donnerstag, 15. Februar 2007
Autorin: Katja Fischer

Verbaler Scharfschütze
St. Galler Schnitzelbänkler bekommen Konkurrenz aus Goldach

Die Schnitzelbänkler sind wieder unterwegs. Zum ersten Mal in St. Gallen dabei ist Bruno Zürcher. Der Goldacher Kabarettist versucht in Tellmontur und mit spitzen Pfeilen St. Gallen für sich einzunehmen.

Katja Fischer

Bruno Zürcher ist ein erfahrener Schnitzelbänkler. An der St. Galler Fasnacht war er aber noch nie. Entsprechend gespannt ist er, wie die St. Gallerinnen und St. Galler seinen Auftritt heute Abend in der Kellerbühne aufnehmen werden.

Sprungbrett nach St. Gallen

An seiner Bühnenerfahrung wird es nicht scheitern. Seit 1980 mischt der ausgebildete Reallehrer Zürcher mit seinen spitzen Versen die Goldacher und Rorschacher Fasnachtsgesellschaften auf. Seit 1997 tritt er als Kabarettist mit dem Trio «Zuenigers» in der Seeregion auf und ist nun zum zweiten Mal mit einer Solonummer unterwegs. Der Sprung in die Gallusstadt ist ihm als Kabarettist bisher aber noch nicht gelungen. Nun versucht er, die St. Galler an der Fasnacht von seinem Können zu überzeugen.

In der Kürze liegt die Tücke

Durch das närrische Treiben ist Bruno Zürcher überhaupt zum Kabarettisten geworden. «Ich hatte jedes Jahr Mühe, all meine Ideen in eine knapp zehnminütige Schnitzelbank zu verpacken.» Mehr Zeit als für das Schreiben der Sketches habe er mit dem Kürzen verbringen müssen. Was lag also näher, als ein abendfüllendes Programm einzustudieren. Seit zehn Jahren ist das Kabarett Bruno Zürchers grösste Leidenschaft. Nur Volleyball ist für den Regionalverbandstrainer fast so wichtig.

An der St. Galler Fasnacht lockt ihn, neben dem erhofften Werbeeffekt für sein Soloprogramm, auch die Grösse des närrischen Treibens. Ganz im Gegensatz zur Seeregion, wo die Fasnacht teilweise kränkle. Kein Wunder, ist der Kabarettist ab der grossen Anzahl Schnitzelbank-Beizen in der Stadt etwas erschrocken und meinte, er brauche als «Auswärtiger» einen guten Plan, um all die versteckten Beizen zu finden.

Das Theater um das Theater

Mit Suchen und Finden hat auch seine Schnitzelbank zu tun. Zusammen mit dem Goldacher Daniel Niederer wird er sich als Tell und Baumgarten auf die Suche nach dem St. Galler Theater machen und dabei über die eine oder andere Geschichte der hiesigen Politik- und Kulturprominenz stolpern. Die Anspielung auf die umstrittene «Tell»-Inszenierung von Samuel Schwarz im Stadttheater ist volle Absicht – und logische Konsequenz. Denn auch im aktuellen Kabarettprogramm Zürchers ist Tell die Hauptfigur.

Für seine St. Galler Schnitzelbank, die keine Schnitzelbank im traditionellen Sinn sei, habe er Elemente aus seinem Programm mit aktuellen regionalen Themen ergänzt. «Schon an der Goldacher Fasnacht haben wir nie klassisch gereimt und gesungen, sondern unsere Pointen meist in Gesprächsform vorgetragen», erklärt er seine Auffassung vom «Schnitzelbänklen». Letztes Jahr trat Zürcher in Goldach mit tierischen Handpuppen auf. Ein Jahr davor liess er die nationale und internationale Politprominenz als «Music Stars» auftreten.

Heute Abend und am Samstagabend wird er mit seinem Partner auf der Kellerbühne als Tell auf aktuelle Themen schiessen und seine Opfer wortakrobatisch mit Witz und Spitz erlegen. St. Gallen kann sich auf eine scharfe Prise Goldacher Humor freuen.

Schnitzelbank-Fahrplan In St. Gallen sind die Schnitzelbänkler heute Abend und am Samstag in der Altstadt unterwegs. Am Freitag- und Montagabend sind sie an der Nacht der Föbüs im Saal des Hotel Ekkehard zu sehen. Schnitzelbank- Beizen in der Innenstadt sind Barcelona, Bäumli, Bierfalken, Drahtseilbahn, Marktplatz, Neubad, Papagei, Traube, Zur alten Post, Zum goldenen Leuen (National) und Zum goldenen Schäfli.






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St.Galler Tagblatt, Mittwoch, 3. Januar 2007
Autor: Peter Beerle

Kabarettistischer Aufruf zur Freiheit
Zweimal volle Aula für Bruno Zürchers «Was wäre, wenn . . .»

[ ]... Das Publikum dankte mit einem herzhaftem Applaus für sein geistreiches Kabarett und fand ein ganz besonderes Lob für die Musik, welche in dieses Programm eingebaut war. Sämi Peter, Piano, und Simon Noger, Bass, wussten ihre Rollen bravourös zu meistern.


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St.Galler Tagblatt, Mittwoch, 27. Dezember 2006
Autor: Marcel Elsener

Tell – ein Penalty-Versager?
Bruno Zürcher fragt in seinem zweiten Solo-Kabarettprogramm «Was wäre, wenn . . .»

Der Schreck steht Bruno Zürcher, der da seine Auftritte bewerbend als Walterli mit dem berühmten Apfel posiert, ins Gesicht geschrieben. Und tatsächlich hat ihn das Geschoss Tells bereits getroffen, abgefeuert von Samuel Schwarz im Theater St.Gallen. Manch schlaflose Nacht hat ihm die umstrittene Aufführung bereitet – respektive die Frage, ob er sie denn nun besuchen solle oder nicht. Sein Problem: Anfang Jahr hatte er Schillers Tell als Grundlage seines Solo-Kabarettprogramms gewählt, des zweiten nach dem letztjährigen «Alles ist relativ», einem Rückblick auf ein «Annus miserabilis» frei nach Einstein. Das miserable Jahr ist ihm gefolgt, oder zumindest der entscheidende schreckliche Zufall.

Weiterer Ärger mit Tell
Doch musste Zürcher, der als Reallehrer ein «Sabbatical» geniesst, im Schiller-Jahr mit prominenter Tell-Konkurrenz rechnen. Natürlich lacht er darüber und geht in die Offensive. Sein Programm empfehle er, meint er keck, «all jenen, die den Tell im Theater nicht gesehen haben, damit sie auch über einen Tell reden können. Und all jenen, die ihn gesehen und sich geärgert haben, damit sie sich wieder beruhigen können (eventuell). Zu guter Letzt all jenen, die ihn gesehen und sich gefreut haben, damit sie auch noch die Möglichkeit haben, sich über einen Tell zu ärgern.»

Tell habe sich angeboten, weil der Stoff so viele Anspielungen zulasse, sagt Zürcher und nennt als Beispiele nur die Treffsicherheit (die just bei den Schweizer Fussballern gegen die Ukraine vermisst wurde) oder die Diskussion um die Militärwaffe im Schrank jedes Eidgenossen. Wiederum zielt Zürcher vornehmlich auf die Politik. Seine giftige Erkenntnis, wonach der allseits heftig umworbene «gute Steuerzahler» jener sei, der am wenigsten Steuern zahle, und es also ein jeder werden könne, gilt am Bodensee schon fast als geflügeltes Wort.

Sinnverdrehungen
In der Region am See ist der ehemalige Goldacher SP-Gemeinderat ohnehin eine feste satirische Grösse: als Cliquenfasnächtler seit 1980 in Goldach und neuerdings auch Rorschach, seit sieben Jahren auch mit abendfüllenden Programmen im Kabarett-Trio «Die Zünigers». Seine Stärke hat ein Tagblatt-Berichterstatter bereits 1999 erkannt: «Autor Bruno Zürcher spielt mit Worten, deren Aussage in verschiedenen Zusammenhängen anders verstanden wird. Seine Wortspielereien und Sinnverdrehungen scheinen unerschöpflich zu sein.»

Im neuen Programm beginnt dies bereits im Titel «ww,w», der nicht das World Wide Web meint, sondern die schlichte Frage «Was wäre, wenn?». Was wäre, Tell und die Tschutter mal abgesehen, wenn Kolumbus wirklich Indien entdeckt hätte und die Misterwahlen Misswahlen waren? Was wäre, wenn all diejenigen, die nichts zu sagen haben, das auch für sich behalten würden und zwar ausführlich und in aller Deutlichkeit? Und so weiter bis hin zur Frage: Was wäre, wenn nicht Christina Aguilera hundertmal «Car Wash» gesungen hätte, sondern Mani Matter, Polo Hofer und Herbert Grönemeyer? Versprochen sind «Antworten auf Fragen, die Sie gar nie stellen wollten». Sowie Interpretationen jener englischen Worthülsen, mit denen «wir derzeit wieder Deutsch lernen sollen», etwa «manager care» oder «head of». Hat da jemand kopflos gerufen?

Damit die Sache ein bisschen musikalisch wird, lässt sich «Sänger» Zürcher vom Pianisten Sämi Peter (der bei der Stadtmusik Rorschach Schlagzeug spielt) und dem St.Galler Bassisten Simon Noger (Gerry Miles Band) begleiten. Auf den Tell-Theaterbesuch hat Zürcher bislang verzichtet. Immerhin habe er viel darüber gelesen, zuletzt auch den professoralen Essay, und es bliebe ja noch die letzte Aufführung am 2. Januar. Doch zuvor will er seine eigenen Geschosse abfeuern – «satirische Pfeile, die ihre Ziel nicht verfehlen», wie es auf dem Plakat heisst.

Fr, 29., und Sa, 30.12., Aula Oberstufe Goldach, je 20 Uhr; sowie Fr, 19.1.2007, evang. Kirchgemeindehaus Horn; Do, 8.2.2007, Seerestaurant Rorschach

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